Hirschfänger aus dem Besitz König Ludwig I. von Bayern (1786 – 1868), 1825 - 1848.
Gesamtlänge: 76 cm
Klingenlänge: 64 cm.
Signiert: Peter Knecht und in Solingen.
Provenienz
I. Haus Bayern.
II. Bayerischer Adelsbesitz.
verkauft
Zusammenfassung
Dieser Hirschfänger ist entweder der persönliche König Ludwigs I. von Bayern oder er gehörte einem hochrangigen Mitglied seiner Jagdgesellschaft. Als aufwendig
verarbeitetes Stück ist er nicht mit den zahlreichen einfachen Hirschfängern zu vergleichen, die auf unsere Zeit gekommen sind, und neben Jägern auch Forstbeamten
verliehen wurden, Bestandteil ziviler Mode waren, oder sogar als Ausrüstungsbestandteil militärischer Einheiten fungierten. Der fast makellose Erhaltungszustand kann
als Glücksfall bezeichnet werden.
Hintergrund
Der Hirschfänger kam zunächst als Jagdwaffe zu Beginn des 17. Jahrhunderts in der Fortentwicklung des Jagdschwertes auf.1) Es wäre allerdings eine verengte Sichtweise,
den Hirschfänger allein auf die Verwendung als Jagdgerät zum Abfangen (Erstechen) von Hirschen zu reduzieren, zu vielseitig war sein Gebrauch im Laufe der Zeit. Der
Hirsch als Namensgeber mag deshalb herangezogen worden sein, weil er als besonders edel galt und im deutschsprachigen Raum bevorzugtes Ziel der sog. Parforcejagd war,
einer Form der Jagd, die besonders aufwändig und daher dem hohen Adel vorbehalten war.
Dabei wurde par force, also „mit Gewalt“ ein Stück Wild durch eine Hundemeute gehetzt, bis es erschöpft war. Der Jagdherr und seine geladenen Gäste wohnten dem
Schauspiel zunächst nur als Zuschauer bei, um dann dem völlig erschöpften und verängstigten Tier den Fangstoß mit dem Hirschfänger zu versetzen.[...]
Zur Vorbereitung und Durchführung dieser Jagd war ein ungeheuer großer Aufwand in Form von Jagdpersonal, Pferden, Parforcehunden und Gehilfen erforderlich. Zu den
wichtigsten Bediensteten zählten sog. Piqueure, das sind in der Jagdkunde und der Reiterei gut ausgebildete Kräfte, die auch das Spiel mit dem Jagdhorn perfekt
beherrschen mussten, da die Kommunikation mit der Jagdgesellschaft über festgelegte Signale des Horns verlief.
Im Rahmen der Jagdvorbereitungen suchte der Oberpiqueur zunächst die Fährte eines Rudels Rotwild, das einen stattlichen Hirschen aufwies, der von Alter und Größe für
den Fürsten angemessen sein musste. War dies gelungen, markierte er die Fluchtrichtung des Rudels, indem er Astspitzen umbrach. Drei bis vier Piqueure unterstanden
seinem Kommando, die wiederum 80 bis 100 Hunde dirigierten. Es folgten 60-70 Reiter.
Der Hirsch wurde von seinem Rudel getrennt und auf eine Blöße gehetzt. Dabei war es wichtig, die Hunde so gut abgerichtet zu haben, dass sie im entscheidenden
Moment vom Hirsch abliessen, ohne ihn jedoch wieder entkommen zu lassen. Der Piqueur kommunizierte über sein Horn mit dem Jagdherren und gab bekannt, ob es sich um
einen Namenshirschen, also ein bekanntes und gutes Tier, oder um ein zufällig aufgescheuchtes handelte. Anschließend begann die Hetze, bei der die Hunde auf die
Fährte des Hirsches gesetzt wurden. Besonders wichtig war dabei der Leithund, der den Hirschen über Stunden hetzen und schließlich an den Ort der wartenden
Jagdgesellschaft lancieren musste. Jagdherr und Begleiter waren zuvor bequem über eigens im Wald angelegte Schneisen vom Jagdschloss zum verabredeten Ort gelangt.
Besondere Ehre wurde dem Jäger zu Teil, der als erster aus der Reitergruppe coupieren konnte, das heißt dem erschöpften Tier den Weg abschneidete und es mit der
Hundemeute stellte. Anschließend trat der Jagdherr oder ein von ihm bestimmter hochrangiger Gast an das Tier heran, und versetzte ihm mit dem Hirschfänger den
Fangstoß. Meist war das Tier aber noch wehrhaft, so dass zuvor ein Piqueur dem Hirsch von hinten die Sehnen der Hinterläufe durchtrennte und es bewegungsunfähig
zusammensackte.[...]
Ein Jagdhorn verkündete das Ende der Jagd und die Jäger begannen das Tier aufzubrechen.
Als Trophäe überreichte der Oberpiqueur dem Jagdherren den rechten Vorderlauf des Tieres. Die anderen Läufe wurden als Ehrengeschenk an Jagdgäste verteilt.
Danach erhielten die Hunde ihre Belohnung, indem auf der Innenseite des Fells Innereien, Blut und darunter gemischtes Brot ausgebreitet wurde und die Meute sich auf
ein Signal hin darauf stürzte. Das Wildbret wurde zur Seite gestellt und für das Festmahl auf dem Jagdschloss vorgehalten.2)
Aufgrund der schieren Anzahl der erhaltenen Hirschfänger in unterschiedlichsten Qualitäten leuchtet es unmittelbar ein, dass diese nicht alle für die elitäre
Parforcejagd verwendet worden sein können. Auf dem Feld der jagdlichen Gebrauchswaffe diente er ebenso zum Abfangen von Wildschwein, Elch und Gams, insbesondere in
dem Fall, wenn das Tier nicht richtig getroffen, also „krankgeschossen“ wurde. Dabei war es nicht ungefährlich, gerade ein Wildschwein mit dem Hirschfänger zu töten.
Das verletzte Tier war sehr wohl noch in der Lage den Jäger anzugreifen. Dieser musste den Hirschfänger dann so halten, dass die Sau beim „Anrennen“ die Klinge
genau zwischen die Schulterblätter in die Herzkammer bekam. Ohne Jagdhunde, die die Beute ergriffen war dies schwierig und für den Jäger äußerst riskant.
Neben diesem praktischen Gebrauchswert erfüllte der Hirschfänger in Bereich der Jagd aber auch eine symbolische Funktion. Er wurde dem ausgebildeten Jäger verliehen
und fungierte daher als Ehrenzeichen. Allerdings kamen Hirschfänger bereits im 18. Jahrhundert sehr zum Leidwesen der Jäger bisweilen als Bestandteil der zivilen
Mode auf, also in einer Zeit, als auch der Galanteriedegen zur Kleidung des Edelmannes gehörte, ohne unbedingt für den Gebrauch vorgesehen zu sein.
Doch auch als Seitengewehr verwendeten Zivilisten Hirschfänger und zogen den Unmut der Jäger auf sich. Sie sahen ihr Ehrenzeichen beschädigt, auch wenn der
Hirschfänger selbst für den Jäger damals ein Instrument zur Selbstverteidigung gegenüber „…liederlichem Sauf- Spiel- und Hurenhändel…“ 3) gewesen war.[...]
Insbesondere im 19. Jahrhundert trugen Jagdbediensteten und auch Forstbeamten den Hirschfänger als Uniformbestandteil, die mit der Jagd gar nichts mehr zu tun hatten.
Je nach Rang des Beamten wurde ein unterschiedliches Modell verliehen, dessen Beschaffenheit und Gestaltung genau festgelegt war.
Eine andere Quelle, aus der sich die sehr große Zahl an „Hirschfängern“ speist, die auf unsere Zeit gekommen ist, ist der militärische Bereich. Hier erschuf man
Seitengewehre, deren Gestaltung Hirschfängern zum Verwechseln ähnlich ist. Beispielhaft sei auf ein Preußisches Jäger-Corps verwiesen, das 1744 aus Forstleuten
rekrutiert worden war.
Diese verwendeten zunächst ihre eigenen Hirschfänger, bevor sie dann im Siebenjährigen Krieg mit dem sogenannten Feldjägerhirschfänger
ausgestattet wurden. Im Glauben, es handele sich um ein Jagdgerät, erwerben heute viele Sammler eine einfache militärische Seitenwaffe, die nie einen Bezug zur Jagd
gehabt hat.4)
Beschreibung
Die Klinge ist kräftig und unbiegsam, mit einer breiten Hohlkehle ausgestattet und mit einer Schneide auf der Unterseite versehen, während der Rücken nicht scharf ist.
Dies spricht klar für eine Jagdgebrauchswaffe, mit der ein zuverlässiger Fangstoß ausgeführt werden konnte bei gleichzeitiger Minimierung der Verletzungsgefahr für
die Jagdhunde. Es konnte nämlich vorkommen, dass die Hunde sich in der Beute verbissen hatten und mit den Pfoten instinktiv Halt suchten, während der Jäger den
Fangstoß setzte. Dabei konnten sie den Klingenrücken berührten, der sie bei einer zweischneidigen Klinge verletzt hätte.
Der Ort läuft wie bei anderen Hirschfängern spitz zu, aber in einem recht stumpfen Winkel. Es sollte so vermieden werden, dass beim Abfangen einer anrennenden Sau
die Klinge im Brustkorb an einem Knochen hängen blieb und der Stich damit fehlschlug, was den Jäger ernsthaft gefährdet hätte.
Auf der Klinge sind mehrere Trophäenbündel graviert und vergoldet. Sie kontrastieren zur fast vollständig erhaltenen Bläuung der Oberfläche. Von Teilen des Gefäßes
verdeckt ist terzseitig die Signatur des Klingenhändlers Peter Knecht zu sehen, auf der Quartseite die Inschrift in Solingen.
.
Das Kreuzgefäß ist aus Messing und feuervergoldet, der Griff aus Hornschalen. Die Parierstangen schwingen leicht s- förmig aus und verdicken sich dabei tropfenartig
in Richtung der Enden. Das Kreuzstück ist aufwendig in Form zweier Blätter und einer kleinen Blüte ziseliert, der untere Teil des Griffes zeigt einen feinst
herausgearbeiteten Eberkopf mit dahinter liegendem Speer und Hirschfänger. Kunstvoll kontrastieren die glanzvergoldeten blanken Bereiche des Motiv umgebenden Ovals,
der Waffen und des unteren Griffbereiches mit seinen Profilrillen zur Binnenstruktur des Kopfes, der wie die Blätter des Kreuzstückes eher matt erscheint. Unterhalb
des Kreuzstückes befindet sich ein herabgebogenes Stichblatt, dessen Adern alternierend blank belassen bzw. mit einer Reihe von Blättern graviert sind. Die
Griffschalen sind mit Ziernieten in Form eines Blütenornaments befestigt. Seitlich weist der Griffstreifen ein Ornament in Form eines gravierten Bandes mit
eingeschlossenen Rauten auf, das sich auf dem Mundblech der makellos erhaltenen Scheide wiederholt.
Dieses ist ebenso aus Messing und feuervergoldet, der Tragehaken mit dem Monogramm des Bayerischen Königs Ludwig I. (1786 – 1868) ziseliert. Diese Darstellung spielt
wiederum mit dem Kontrast der glanzvergoldeten Buchstaben, Krone und Einfassung auf einem gekörnten und daher matt wirkenden Grund. Es ist eine Öffnung zur Aufnahme
eines Bestecks vorhanden, das heute fehlt.
Als Gegenstück zum Mundblech mit Tragehaken fungiert das Ortblech, das das Rautenband wiederholt. Darunter liegt zentral ein Jagdtrophäenbündel innerhalb eines Ovals
vor gekörntem Hintergrund und umschlossen von einem blank belassenen Bereich. Darüber befindet sich ein Blattornament, das zentral eine Diamantform mit
einschwingenden Seitenflächen aufweist.
Besonderes positiv fällt der noch unversehrt erhaltene lederne Tragegurt auf, dessen Schauseite von einem Textil geziert wird, das zentral mit einem breiten
goldfarbenen Band gestaltet ist, welches seitlich von zwei schmaleren, silberfarbenen, eingegrenzt wird. Auf der Gürtelschnalle wurde zentral die königliche Krone
auf einem gebläuten Eisenblech appliziert. Der Rand wird durch einen feuervergoldeten Perlrand gebildet.
Endnoten
1) Vgl. Bäumel, J. (1992): Jagdblankwaffen in der kurfürstlich-sächsischen Rüstkammer, S. 50, in: Museum Schloß Moritzburg (Herausg.): Vom Jagen.
2) Vgl. Quaas, G. (2002): Hofjagd, S. 14 ff.
3) Heppe, C. (1751): aufrichtiger Lehrprinz oder Praktischen Abhandlung von dem Leithund als dem fundament der edlen hirschgerechten Jägerey, S. 272, zitiert nach Seifert, G. (1973): Der Hirschfänger, S. 33.
4) Vgl. Seifert, G. (1973): Der Hirschfänger, alles.