Ein bedeutender Morion, zugeschrieben Pompeo della Cesa, Mailand 1585 - 1590
Gewicht: 1,68 kg.
Höhe: 29,5 cm.
Breite: 23 cm.
Länge: 37 cm.
Dieser Morion wurde aus einer einzigen Eisenplatte in seine elegante Form getrieben, die mandelförmige Glocke an der Spitze in einen rückwärtsgewandten
Dorn ausgeschmiedet. Der äußere Rand der Krempe ist nach unten umgelegt und mit einem Schnurornament versehen, während er nach der Innenseite durch eine
eingezogene Rille abgesetzt ist. Zur Vorder- und Hinterseite läuft die Krempe in eine aufwärtsgerichtete Spitze aus. Auf der Rückseite des Helmes befindet
sich ein Federhalter aus Messing mit eingerollten Rändern und einem punzierten Ornament, der durch zwei eiserne von Messingblech überzogene Nieten fixiert
wird. Ähnliche Nieten befestigen Messingrosetten am unteren Rand der Helmglocke, die auf der Innenseite noch Reste des Helmfutters bzw. des Leders
einschliessen, das einst die Wangenstücke hielt. Alle acht Nieten sind auf der rechten Seite erhalten, die linke weist sieben auf. Die Oberfläche des
Morions ist aufwändig mit geätzten Ornamenten verziert, teilweise feuervergoldet, die einen gepunkteten Hintergrund kontrastieren.[...]
Dieser ist geschwärzt,
wo er Trophäen und figürliche Darstellungen umfließt, vergoldet hingegen als Kontrast zu Rankwerk, das aus blank gelassenen Rändern gebildet wird und im
Zentrum den gepunkteten geschwärzten Hintergrund aufgreift.
Der Dekor ist in vier große Tafeln gegliedert, die klassische Kämpfer und Trophäen darstellen.
Dabei werden sie von einem vergoldeten Band umflossen, das mittig mit einem geätzten Wellenornament versehen ist. Alternierend zu diesen Tafeln sind
vertikale Streifen zu erkennen, die von blank belassenen Rändern abgesetzt sind und Rankornamente sowie ovale Felder mit figürlichen Darstellungen
aufweisen. In horizontaler Richtung werden die Tafeln zur Helmbasis ebenso durch ein blankes Band abgesetzt. Unterhalb folgt die Reihe der Nieten, die von
einem stilisierten Rankornament umgeben ist und als Abschluss der Helmglocke nach unten durch einen schmaleren blanken Rand getrennt wird. Auf der Krempe
des Morions befindet sich ein Akanthusornament.
Hintergrund
Der Morion entwickelte sich aus dem Eisenhut des 15. Jahrhunderts, insbesondere der Spanischen Variante, dem sog. cabacete. In der folgenden Zeit erfreute
sich dieser Helm einer stetig wachsenden Beliebtheit[...]
und kam in ganz Europa in Gebrauch, wo er bis in die erste Hälte des 17. Jahrhunderts auf den
Schlachtfeldern zu finden war. Als typischer Helm der Infanterie war er beispielsweise unter den Pikenieren beliebt, kam aber auch bei den Besatzungen
städtischer Verteidigungen sowie den Leibgarden Europäischer Herrscher, so z.B. den berühmten Dresdener Trabanten zum Einsatz. Im sechzehnten Jahrhundert
war es gängige Praxis, dass Offiziere mit der gleichen Ausrüstung wie Ihre Soldaten ausgestattet waren, jedoch wurde diese je nach Rang und finanziellen
Möglichkeiten des Auftraggebers in deutlich besserer Qualität hergestellt und elegant dekoriert. Die Ausrüstung fungierte also auch als Statussymbol und je
größer die Bedeutung eines Heerführers war, desto umfangreicher waren dessen Investitionen in kunstvolle Prunkwaffen und Rüstungen. Unter den mächtigsten
Herrschern der Europäischen Renaissance war es nicht unüblich, ganze sog. Garnituren in Auftrag zu geben. Darunter sind Rüstungen zu verstehen, die durch
Wechselstücke für verschiedene Einsatzzwecke angepasst werden konnten, so z.B. den Feldeinsatz zu Pferde oder als Infanterist sowie unterschiedliche Formen
des Turniers, wobei alle Einzelteile in der gleichen luxuriösen Weise zueinander passend gestaltet wurden. Mailand war im späten sechzehnten Jahrhundert
das führende Zentrum für die Herstellung dieser Kunstwerke. Zu den besten Plattnern Mailands zählt ein Meister, der mit den Initialen IFP signierte. Ein
halber Harnisch hat sich im Art Institute Chicago erhalten (1). Ein weiterer verwendete als Signatur eine Burg mit drei Türmen. Beispiele finden sich auf
einem Visier und Kinnreff in derselben Sammlung (2).[...]
Von herausragender Reputation ist allerdings
Pompeo della Cesa (Chiesa), 1537 – 1610
Es ist nachgewiesen, dass Pompeo als Sohn des Vincenzo nahe der Porta Comasina in Mailand im Mai des Jahres 1560 lebte. Als Mitglied der Gemeinde Santa Maria
Segreta befand sich sein Wohnort nahe dem Stadtviertel, in dem sich die Werkstätten der Plattner konzentrierten. Vermutlich arbeitete Pompeo dort für
Giovani Pietro da Ferno und wurde schließlich 1570 selbst Meister mit einer eigenen Manufaktur im Castello Sforzesco. Schon bald gehörten die bedeutendsten
Herrscher der Italienischen Renaissance zu seinen Kunden. Aufgrund erhaltener Korrespondenz und Rechnungen können einige Aufträge Pompeos detailliert
nachvollzogen werden. Im Jahre 1586 fertigte er eine Rüstung für Allesandro Farnese (1545 – 1592), Herzog von Parma und 1592 für Vincenzo I. Gonzaga
(1562 – 1612), Herzog von Mantua. Im selben Jahr erhielt Pompeo eine Einladung an den Hof des Philip II von Spanien (1527 – 1598), der gleichzeitig Herzog
von Mailand war.
Andere bedeutende Geschäftsbeziehungen bestanden mit Emmanuel Philibert (1528 – 1580), Herzog von Savoyen, Juan Fernández Pacheco (1563 – 1615), Herzog von
Escalona sowie den Herzögen von Infantado. Die Reputation Pompeo della Chiesas verbreitete sich über ganz Europa und brachte sogar Aufträge entfernter
Herrscherhäuser: Eine signierte Rüstung Henry Herberts, 2. Earl of Pembroke (1538 – 1601) hat sich auf Wilton House in Großbritannien erhalten.[...]
Pompeo signierte seine Arbeiten gelegentlich mit einer Marke, die eine Krone mit zwei über kreuz liegenden Schlüsseln darstellt. Eine andere Signatur zeigt
einen geätzten Rahmen innerhalb der Ornamente, auf dessen Rand die Inschrift „Pompe“ platziert ist und der im Zentrum einen Kämpfer in klassischer Rüstung
abbildet, in einer Hand ein Trompete haltend, in der anderen eine Art Blitz. Die gleiche Inschrift wurde auch auf einem Band verwendet, das von zwei Putti
gehalten wird.
Kontext des vorliegenden Morions
Bei näherer Betrachtung der ornamentalen Komposition der Helmoberfläche fallen unmittelbar die Bänder auf, die alternierend mit Rankwerk und klassischen
Kämpfern in ovalen Feldern verziert sind. Dieses Schema ist als typisches Merkmal auf mehreren signierten Arbeiten Pompeos zu finden, so z. B. einem
Harnisch im Museo Stibbert, Florenz (3), einem Halbharnisch im Philadelphia Museum of Art (4) und einem weiteren halben Harnisch in der Rüstkammer des
Großmeisterpalastes des Malteserordens in Valletta auf Malta(5), dessen Kragenplatte heute im Royal Armoury Museum in Leeds(6) zu sehen ist und dessen
geschlossener Helm, ein Wechselstück zum Birnhelm der zur Zeit mit der Rüstung ausgestellt wird,
sich im Metropolitan Museum of Art in
New York(7) befindet.
Eine Zuschreibung des vorliegenden Morions zum Oeuvre Pompeo della Chiesas erscheint daher gerechtfertigt.
Ein weiterer Aspekt verdient Aufmerksamkeit. Derart aufwändig und kostspielig gearbeitete Helme wie das vorliegende Exemplar sind nicht als Einzelstücke in
Auftrag gegeben worden, sondern sehr wahrscheinlich als Bestandteil eines Halbharnischs oder sogar einer Garnitur.
Da dieser Morion als Luxusobjekt nur für
hochrangige Persönlichkeiten der Europäischen Renaissance erschwinglich war besteht eine realistische Perspektive, im Rahmen zukünftiger wissenschaftlicher
Arbeiten Licht auf die Frage zu werfen, zu welcher Rüstung dieser Helm einmal gehörte und wer diese in Auftrag gegeben hat.
Erhaltungszustand
Der vorliegende Helm wird in einem unberührten Zustand angeboten. Alle Nieten und der Federhalter sind original und schließen auf der Innenseite z.T. noch
Reste des Helmfutters sowie des Leders ein, das einst die Wangenstücke an der Helmglocke befestigte. Als wir dieses herausragende Stück in einer
Südfranzösischen Kunstsammlung entdeckten war die Oberfläche von schwerwiegender aktiver Oxidation betroffen. Um dieses wichtige kulturhistorische Objekt
für künftige Generationen zu bewahren gaben wir behutsame konservatorische Maßnahmen in Auftrag und ließen einen großen Teil der aktiven
Korrosionsschichten behandeln. Es erschien jedoch sinnvoll, einen Teil in passiviertem Modus zu belassen. Da die Frage der Intensität der Reinigung bei
der Restaurierung unter Gelehrten schon immer umstritten war, erlaubt der jetzige Zustand flexible Optionen, um den Bedürfnissen des Klienten gerecht zu
werden. Wir bieten an, in Absprache mit dem Klienten weitere konservatorische Maßnahmen zu veranlassen, sofern dies gewünscht wird.[...]
Endnoten
1) Accession Number 1982.2194.
2) Accession Number l 1982.2493.
3) Inventory Number 3476.
4) Accession Number 1977-167-37.
5) Vgl. Laking, G. F. (1903), The Armoury of the Knights of St. John of Jerusalem, page 9, plate VI.
6) Inventory Number III. 4685.
7) Accession Number 14.25.656.